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 Wahlmaschinen - Bitte keine Kreuze machen!

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BeitragVerfasst am: 21.08.2005, 18:20    Wahlmaschinen - Bitte keine Kreuze machen! Antworten mit ZitatNach oben

Wahlmaschinen - Bitte keine Kreuze machen!
Von Jakob Klein

21. August 2005 Im Herbst haben sie vielleicht ihren letzten Auftritt, die metallenen Wahlurnen von Groß-Umstadt. Denn vor ein paar Tagen brachte Herbert Schulze Geiping die moderne Demokratie in die hessische Kleinstadt. Schulze Geiping ist Geschäftsführer der HSG Wahlsysteme GmbH. Im Gepäck hat er ein 28 Kilo schweres Stück Elektronik namens ESD. Mit diesem „Elektronischen System Deutschland” sollen im September etwa fünf Millionen Deutsche wählen.

Einige davon leben in jener 22.000-Seelen-Stadt mit dem frisch vergoldeten Brunnen auf dem Marktplatz, auf halbem Wege zwischen Darmstadt und Aschaffenburg. Die SPD-Hochburg, eine moderne Kommune mit Parkleitsystem, will Nachbarn wie Niedernhausen auch beim elektronischen Wählen nicht nachstehen.

Wie eine Plastiktüte

Das fühlt sich mit ESD glatt an, ein bißchen wie eine Plastiktüte. Wenn der Zeigefinger den Kreis neben einem Kandidaten berührt, registriert das ein Netz aus 1116 Druckpunkten. So ist sichergestellt, daß sich CDU und SPD genau unterscheiden. „Eine Stimme ausgewählt. Bitte wählen Sie die Zweitstimme”, steht auf dem grünen Display oberhalb des elektronischen Wahlzettels. Türkis ist der Knopf für die Stimmabgabe. Auch das, was kaum ein Wähler so richtig versteht - kumulieren und panaschieren - kann ESD.

In 65 Städten und Gemeinden wird diesmal elektronisch gewählt werden, 2100 Geräte hat Schulze Geiping, der als Geschäftsführer und Handelsvertreter in Personalunion durch die Lande reist, bereits verkauft. „Viele Wahlämter müßten einfach mal anfangen zu rechnen”, sagt er mit der Vertreterstimme, die kaum Widerspruch zuläßt. 15 Stück der 4100 Euro teuren Geräte würde die Kleinstadt Groß-Umstadt für 16000 Wähler benötigen. Die Entscheidung für Wahlgeräte ist Sache der Kommunen. Gekauft wird meist auf Raten, von den gesparten Stimmzetteln nach jeder Wahl. Und langfristig seien die Fingerdruckfolie und ihre Software eben billiger als Zettel und Urnen, sagt Schulze Geiping.

„Das geht in die Grenzbereiche der Sicherheit”

Am Ernst-Reuter-Platz in Berlin, in der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, werden die Wahlgeräte getestet. Ein ESD-Gerät steht fertig aufgebaut in der Abteilung 8.5, als könnte es die Wahl kaum erwarten.

Sonst testet man hier Glücksspielautomaten. Aber Wahlgeräte sind nicht ganz so langweilig wie die x-te Version des Einarmigen Banditen. „Das geht in die Grenzbereiche der Sicherheit”, sagt Dieter Richter, der die Arbeitsgruppe leitet. Der Informatikprofessor testet seit 15 Jahren strombetriebene Wahlhelfer.

Den Aufwand, den die Bundesanstalt dabei treibt, muß der Hersteller bezahlen. Für einsatztauglich hielt die Behörde bisher nur ESD. Richters Mitarbeiter untersuchen auch die komplette Software - unverschlüsselt, im Quelltext. Das ist Bedingung. Deshalb darf in deutschen Wahlgeräten auch kein Windows stecken. Denn der Code von Microsoft, der den Programmen in vielen amerikanischen Maschinen zugrunde liegt, ist nicht zugänglich. Den Amerikanern versperrte das den Weg auf den deutschen Markt. ESD hingegen funktioniert nicht mit handelsüblicher Software, sondern wurde eigens programmiert.

Maximal eine Stimme darf vergessen werden

Entscheidend ist, daß keine Stimme verlorengeht. Oder: fast keine. Maximal eine darf bei Stromausfall oder falscher Bedienung vom Gerät vergessen werden, so lautet das Kriterium. „Die Gefahr liegt im Millisekundenbereich”, sagt Richter. Der Stromausfall müßte genau im Moment der Stimmabgabe passieren. Selbst dann könnte zugeordnet werden, welcher Wähler noch einmal wählen darf.

Bei so viel Spezialisierung überrascht es nicht, daß man mit den Wahlmaschinen auch nichts anderes machen kann als Stimmen zählen - den Namen Computer verdienen sie kaum. In jeder neueren Waschmaschine stecken heute kompliziertere Chips. Eine Wahlmaschine dagegen muß einfach, robust und sicher sein. Wenn ein ESD auf den roten Laborfußboden in Berlin - oder auf das Linoleum eines Wahllokales - fiele, könnte das den Stimmen nichts anhaben. Auch gegen Kaffee und Cola, elektromagnetische Strahlung und Temperaturschwankungen ist das Gerät geschützt. Nur das Ankreuzen mit Kugelschreiber verträgt die Schutzfolie nicht.

Der Automat im Koffer

Platz findet ESD in einem Koffer vom Format einer Tischplatte. Wird er aufgeklappt, entfaltet sich eine Wahlkabine aus grauem Kunststoff. Hinten im Gerät steckt die E-Urne, eine blaue Speicherkarte, etwa so groß wie eine Packung Taschentücher. Gleich viermal wird jede Stimme abgelegt. So kann im Zweifelsfall verglichen werden, ob das Speichern auch geklappt hat. Bis 1600 kann ESD zählen, dann ist die Urne voll. Schon kurz nach 18 Uhr rattert dann aus dem Drucker das Endergebnis. Sicher und verläßlich? „Ich weiß, daß wir gründlich gearbeitet haben”, sagt Richter unaufgeregt. Er freut sich auf einen ruhigen Wahlabend.

Man muß diesen Optimismus nicht unbedingt teilen. Denn die Bundesanstalt, obgleich für ihre Härte und Unnachgiebigkeit weltweit bekannt, prüft bei jeder Veränderung nur ein Mustergerät. So schreibt es die Bundeswahlgeräteverordnung vor. Die 2100 Wahlomaten hingegen, die im September zum Eisatz kommen, wurden direkt an die Kommunen geliefert, ohne Prüfung. Allein der niederländische Hersteller garantiert die Baugleichheit.

Und während Feuerlöscher, Autos und Fahrstühle regelmäßig fachkundig inspiziert werden, ziert kein Prüfsiegel die Koffer der Wahlgeräte. Ganz wartungsfrei sollen sie funktionieren, zwanzig Jahre lang - so lautet die gesetzliche Vorgabe. Ein Jahr Garantie gibt der Hersteller.

Keiner kann wissen, was mit der Stimme passiert

So könnte mit der Folienwahl nicht nur das Geräusch des in die Urne fallenden Zettels verschwinden, sondern auch die jedem analogen Prozeß irgendwie immanente Gewißheit. Weder der Wähler noch der Wahlvorstand können wissen, ob nicht irgend jemand den Chip ausgetauscht hat. Also auch nicht, was mit der Stimme passiert. Technisch gibt es keine Garantie für richtige Speicherung, wenn der gewählte Kandidatenname auf dem Display angezeigt wird.

Am Wahlsonntag überprüft der Wahlvorstand, ob die auf dem Display angezeigten Prüfnummern mit denen auf der Baugleichheitserklärung übereinstimmen. Die klebt im Gerät, ganz dicht an der Elektronik. Es würde wahrscheinlich niemandem auffallen, wenn jemand das Auszählungsprogramm verändert hätte. Man brauchte nicht einmal einen Lötkolben, um den Speicherchip mit dem Zählprogramm zu ersetzen. Das ist sogar so vorgesehen für den Fall, daß sich das Wahlrecht ändert und das Gerät angepaßt werden muß.

Die Erinnerung an die elektronischen Debakel der amerikanischen Präsidentenwahl im Jahr 2000 und auch noch vier Jahre später sollte eigentlich Grund genug sein, jede mögliche Fehlerquelle oder Manipulationsmöglichkeit zu eliminieren. Doch jahrelang stehen Tausende Geräte unbenutzt in den Rathauskellern der Republik. Auch das Büro des Bundeswahlleiters sieht dieses Problem, ist aber nicht berechtigt, den Kommunen Vorschriften zu machen. Und dort gelten Wahlgeräte oft nicht als besonders schützenswert. Sie müssen, außer am Wahltag, noch nicht einmal verplombt werden.

Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 21.08.2005, Nr. 33 / Seite 58

Original: http://www.faz.net/s/Rub7F4BEE0E0C39429A8565089709B70C44/Doc~EA62CB4811B9D45BAA21A743425811704~ATpl~Ecommon~Scontent.html

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Gast











BeitragVerfasst am: 02.09.2005, 13:48    Wahlmaschinen statt Wahlurnen für fünf Millionen deutscher W Antworten mit ZitatNach oben

Wahlmaschinen statt Wahlurnen für fünf Millionen deutscher Wähler
Falls im September gewählt wird, werden in 65 Städten und Gemeinden Wahlmaschinen vom Typ "Elektronisches System Deutschland" eingesetzt. Die Geräte werden vorher auf Kosten des Herstellers besonders auf einen eventuellen Stimmenverlust hin getestet.
Die Software der ESDs basiert nicht auf Windows, da der Quellcode den Testern zugänglich sein muss. Außerdem sind sie überdurchschnittlich robust und gegen Flüssigkeitsschäden immun. Allerdings werden einige Sicherheitsrisken befürchtet.
Die Bundesanstalt prüft bei Veränderungen nur ein Mustergerät, eine Wartung ist angeblich nur alle 20 Jahre nötig. Vor allem aber sind die Maschinen bis zum Wahltag nicht verplombt und der Speicherchip lässt sich ohne zu löten austauschen.
Quelle: http://shortnews.stern.de/goto.cfm?id=586711&link=www%2Efaz%2Enet%2Fs%2FRub9D1EE68AC11C4C50AC3F3509F354677D%2FDoc%7EEA62CB4811B9D45BAA21A743425811704%7EATpl%7EEcommon%7EScontent%2Ehtml

Original: http://shortnews.stern.de/shownews.cfm?id=586711

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