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23.08.2005, 20:46 Es gärt unter Kölner Kirchenmusikern |
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Es gärt unter Kölner Kirchenmusikern
VON MARIANNE KIERSPEL, 23.08.05, 07:03h
Der allzuständige „Seelsorgebereichs-Musiker“ findet nicht nur Freunde.
Das Erzbistum Köln, eines der reichsten Bistümer weltweit, spart. Das Sparkonzept heißt „Zukunft heute“. Es beschert der Kirchenmusik die erste offizielle Kürzungswelle nach dem Krieg. „Das hat uns diesen Sommer noch mehr beschäftigt als der Weltjugendtag“, stöhnen Christoph Kuhlmann und Wilfried Kaets. Sie betreuen als Regionalkantoren Kölns katholische Kirchenmusiker und wundern sich, wie viele Kollegen erst jetzt aufwachen. Sind doch Steuereinbrüche, Geburtenrückgang und Kirchenaustritte nichts Neues.
Jetzt aber wird es ernst. Das Erzbistum kürzt seinen Jahresetat von 680 Millionen Euro um 90 Millionen. Für Kirchenmusiker ist es nur ein schwacher Trost, dass andere Bistümer noch viel mehr kürzen, Aachen gar um 50 Prozent. In Essen bleiben von 300 Gemeinden vielleicht noch 30. Die evangelische Kirche wird in Köln wohl zwei Häuser schließen, das Jeremiahaus und die Kreuzkirche, die erst kürzlich eine gute neue Orgel bekam. Auch stuft sie jede Kantorenstelle bei Neubesetzung herab, weiß Johannes Quack, Sprecher der evangelischen Kantoren in Köln.
Auf katholischer Seite will Kirchenmusikreferent Richard Mailänder dem Bistum eine zuverlässige Finanzplanung ermöglichen, aber dabei zugleich dem Beruf Kirchenmusiker eine Zukunft sichern. Sein „Konzept für Kirchenmusik im Erzbistum Köln“ folgt der längst üblichen Fusion mehrerer Gemeinden zu einem Seelsorgebereich (SB). In jedem Bereich soll nun ein Vollzeit-Musiker für die gesamte Kirchenmusik zuständig sein, vom Kinderchor über Orgelspiel bis zur Ausbildung. Der „SB-Musiker“ soll alle Gruppen und Altersstufen betreuen. Hinzu kommt verblüffend viel Verwaltungsarbeit.
Das Konzept wird seit 1997 umgesetzt, inzwischen wirken allein in Köln 26 „SB-Musiker“. Jetzt aber wird Kritik laut. Einzelne Pfarrer und Kantoren in Teilzeitstellen meinen, ein solcher Einheitsstellenplan tauge nicht für alle Gemeinden. Deren jeweiliges Profil müsste mehr beachtet werden: die gewachsenen musikalischen Strukturen, das Potenzial der Chöre, die Qualität der Orgeln und die besonderen Talente von Kantoren. Es dürfe keine „kirchenmusikalische Zweiklassengesellschaft“ entstehen, die engagierte Teilzeitmusiker zurückstuft und verdrängt.
Tatsächlich stellen Gemeinden sehr unterschiedliche Ansprüche an ihre Musik in Gottesdiensten und Konzerten. Künstlerische Qualität aber hängt offensichtlich nicht davon ab, ob ihr Kantor eine Vollzeitstelle bekleidet. Es gibt faszinierende Kantoren, die keine volle Stelle haben, aber volle Kirchen. Ähnlich wie eine gute Predigt spricht auch gute Musik oft mehr Menschen an, als die Gemeinde Seelen hat. Da könnten mitunter sogar Pfarrer auf die Musik eifersüchtig werden.
Indes meint Mailänder, nur gesicherte Vollzeitstellen verlockten auch in Zukunft, das anspruchsvolle Fach Kirchenmusik zu studieren: „Der Beruf soll nicht kippen!“ Durften bisher die Gemeinden selbst entscheiden, wie viel Musik welcher Qualität sie bezahlen wollen, so müssen sie jetzt einen Vollzeitmusiker einstellen. „Das baut hauptberufliche Pfeiler ein und sichert Qualität“, lobt Christoph Kuhlmann.
Der Kantor von St. Andreas war lange in Paris, wo solche Stellen fehlen. „Da sieht man, wie die Kirchenmusik in den Gemeinden erodiert, wenn keiner zuständig ist. In Pariser Kirchen kann man tolles Orgelspiel hören und nachher ein verkümmertes Chörchen.“ Der Bickendorfer Kantor Kaets schätzt am Kölner Konzept auch, dass jetzt „jeder planen und sich auf eine Stelle bewerben kann, die zu ihm passt“. Vakanzen stehen im Internet.
Das Konzept beschreibt Kirchenmusik als Stütze für Liturgie und Verkündigung. Sie soll viele Menschen einbinden und durch „Kinder- und Jugendarbeit“ zum Erhalt der Pfarrgemeinden beitragen. Kirchenmusiker sollen nicht nur ihr eigenes Talent pflegen, etwa ein „hochgezüchtetes“ künstlerisches Orgelspiel. Mailänder pocht auf Basisarbeit in der Gemeinde, „für Hobbys sind wir nicht zuständig“.
Die barsche Formulierung suggeriert indes einen Gegensatz, der in Köln so nicht existiert. Findet man doch Teilzeit- wie Vollzeit-Kirchenmusiker, die eine besondere Begabung pflegen und begeistern, sei es als Organisten oder Komponisten, in Alter oder Neuer Musik, als Spezialisten für Jazz- oder Gospelgruppen. Allerdings fällt auf, dass die virulente Diskussion im Nebel lässt, wer eigentlich welche Kirchenmusik meint. Reicht doch das mögliche Spektrum vom Gemeindelied über Posaunenchor bis Orchestermesse, von großer Orgelmusik bis zum Sacro-Pop.
Es wird nicht einmal immer klar, ob von Gottesdiensten oder Konzerten die Rede ist. Wer von hohem Kunstanspruch und weithin ausstrahlender geistlicher Musik spricht, meint ja anderes als ein Verteidiger der „Kunst des Machbaren“ und einer pastoralen „Grundversorgung“ vor Ort. Da bleibt das Kölner Konzept leider so vage wie die Kritik an ihm. Offenbar haben beide Seiten bisher nur Argumente für die Verwaltung formuliert, der sie übrigens wenig Musikliebe zutrauen. Noch sind Musiker nicht gefragt worden, meint der Komponist und Organist Peter Bares, ein eigenwilliger Senior unter den Kritikern: „Die Kirche behandelt ihre Musiker wie Lakaien. Das war wohl nie anders, denken Sie an Bach und Mozart.“
www.kirchenmusik-im-erzbistum-koeln.de
Original: http://www.ksta.de/html/artikel/1124699361398.shtml
(KStA)
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