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 Rosa_Listen_skandal weitet sich aus

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BeitragVerfasst am: 01.08.2005, 17:49    Rosa_Listen_skandal weitet sich aus Antworten mit ZitatNach oben

wissenschaftlich-humanitäres komitee (whk)
Mehringdamm 61 10961 Berlin http://www.whk.de

Pressedienst whk2505/01.08.2005 - Polizei/Bürgerrechte/Homosexuelle -

"Rosa Listen"-Skandal weitet sich aus"

Bayerisches Innenministerium hat Homosexuellenkarteien aus den 80er Jahren in moderne Polizeidatenbank IGVP "übernommen" / whk: Was geschah mit den "Rosa Listen" von DDR-Kriminalpolizei und Staatssicherheit?

Nach Berichten über diverse Speicherungsmöglichkeiten des Merkmals "*omosex*" in den Datenbanken der Länderpolizeien in Thüringen, Bayern und Nordrhein-Westfalen haben die Innenministerien Bayerns und Thüringens zum Vorwurf einer listenmäßigen Erfassung homosexueller Bürger Stellung genommen. Hierzu erklärt das wissenschaftlich-humanitäre komitee (whk):

Mit Empörung reagiert das whk Äußerungen des bayerischen Innenministers Günther Beckstein (CSU) zum "Rosa Listen"-Skandal. Beckstein hat im bayerischen Landtag nicht nur das in denvergangenen Jahrzehnten von den Behörden immer wieder vehement bestrittene theoretische und vor allem praktische Vorhandensein von Homokarteien beziehungsweise entsprechender Suchkriterien nach dem Merkmal Homosexualität freimütig bestätigt. Mehr noch: Beckstein hat auch zugegeben, daß die seit drei Jahren genutzte Polizeidatenbank IGVP nach Schlagwortkriterien aus den 80er Jahren konstruiert wurde. In den 80er Jahren waren homosexuelle Männer noch dutzendweise nach dem bis 1994 gültigen Schwulenparagraphen § 175 StGB abgeurteilt worden. Damit ist bewiesen, daß es sich bei der vor wenigen Wochen enthüllten Erfassungspraxis nicht etwa um "neue" Rosa Listen handelt, wie die Vereinigung lesbischer und schwuler Polizeibediensteter (VelsPol) vermutete, sondern es seit 1945 eine zeitlich lückenlose Kontinuität bei der Erfassung mutmaßlich homosexueller Männer in Deutschland gibt.

Wie das whk erst jetzt erfuhr, machte Beckstein seine Aussagen schon am 9. Juni im Münchner Landtag. Laut Plenarprotokoll (15/44 vom 09.06.2005, S.97 f.) antwortete er damit auf die offenbar durch eine whk-Pressemitteilung inspirierte mündliche Anfrage der grünen Landtagsabgeordneten Christine Stahl. Gestützt auf Informationen des VelsPol hatte das whk die polizeiliche Erfassungspraxis bereits am 19. Mai öffentlich gemacht. Erst nach einem Bericht des "Spiegel" in der vergangenen Woche sorgte die grundgesetzwidrige Speicherungspraxis jedoch für größeres Aufsehen.

Wie Beckstein dazu im Juni erklärte, werde das Computerprogramm IGVP "landesweit seit nahezu drei Jahren eingesetzt". Es erfasse in einem Stichwortkatalog "bislang" knapp vierhundert "ausschließlich nach fachlichen Aspekten" ausgewählte "Tatörtlichkeiten" mit Schlüsselnummern. "Viele dieser Schlüssel, so auch die von der Anfrage (Stahls - whk) angesprochenen, wurden von den schon seit Anfang der 80er Jahre bestehenden Ballungsraumverfahren der Präsidien München und Mittelfranken übernommen ... Nach dem Ergebnis einer vorläufigen Prüfung werden die abgesprochenen Tatörtlichkeitsschlüssel 900 ('Aufenthalt von Dirnen’), 901 ('Aufenthalt von Homosexuellen’) und 902 ('Strichplatz’) überwiegend von den Präsidien München und Mittelfranken wegen der im Vergleich zur Fläche dort überproportional vorhandenen Prostitutionsszene und der damit im Zusammenhang stehenden Straftaten vergeben ... Ungeachtet der noch nicht abgeschlossenen fachlichen Prüfung der drei Tatörtlichkeitsschlüssel hat das Innenministerium die Sperrung des Schlüssels 901 ... und die Löschung bislang eingegebener Werte veranlaßt ... Eine Recherche unter Verwendung dieses Tatörtlichkeitsschlüssels ist derzeit nicht mehr möglich". Laut Beckstein sei der Schlüssel 901 seit 1983 "nur in 126 Fällen verwendet" worden. Ziel der Speicherung sei es, "Personen zu schützen, die häufig Opfer von Straftaten werden".

Das whk hält es für rechtsstaatswidrig, daß ein Vertreter der bayerischen Landesregierung die illegale Speicherungspraxis mit dem zynischen Hinweis garniert, dies geschehe aus Gründen des Opferschutzes. Offenbar geht den Behörden nach Jahrzehnten der Speicherung Homosexueller in den Verbrecherkarteien die Phantasie aus, wie sie die Intimschnüffelei mehr als zehn Jahre nach Streichung des §175 noch rechtfertigen soll. Das whk verlangt, die vom bayerischen Innenministerium nach einer Beschwerde des VelsPol angesetzte dreimonatige "Überprüfung im Bereich der bayrischen Polizei" sofort abzubrechen und sämtliche Daten unter Aufsicht der Landesdatenschutzbehörde umgehend zu löschen. Die Löschung ist den Betroffenen schriftlich mitzuteilen.

Gestützt auf whk-Informationen hatte auch die PDS-Landtagsabgeordnete Susanne Hennig schon am 2. Juni von der Erfurter Landesregierung Auskunft darüber verlangt, ob "es in Thüringen Praxis" sei, "den Aufenthaltsort von mutmaßlich Homosexuellen in sogenannte Rosa Listen zu ermitteln und zu sammeln", was das zuständige Innenministerium abstritt: "Bei einem aktuellen Bestand von ca. 2,5 Mio. Vorgängen findet sich aktuell kein Vorgang, bei dem der Schlüssel 901 'Aufenthalt von Homosexuellen’ vergeben wurde ... Eine Speicherung von Angaben zu sexuellen Orientierungen von Personen findet nicht statt." Die Landesregierung sehe jedoch "einen sensiblen Bereich berührt und wird sich im Rahmen der Kooperation zu Fragen der Informationstechnologie mit Bayern und Nordrhein-Westfalen für eine Überprüfung der Tatortkataloge im genannten Vorgangsverwaltungsprogramm" einsetzen (Plenarprotokoll 4/17 vom 02.06.2005, Seite 177f.).

Unterdessen drängt sich dem whk die Frage auf, was mit den von schwulen DDR-Bürgerrechtlern zu Wendezeiten häufig erwähnten Homosexuellenkarteien bei Volkspolizei und Staatsicherheit geschehen ist. Trotz langjähriger Recherchen konnte das whk bislang keinen stichhaltigen, geschweige denn amtlichen Nachweis dafür finden, daß diese Listen unter Aufsicht von Datenschutzbeauftragten gelöscht wurden. Bislang liegen nicht einmal gesicherte wissenschaftliche Informationen über Art und Umfang der DDR-Homokarteien vor. Nach 1990 verliert sich die Spur der Rosa Listen aus DDR-Beständen. In Brandenburg hatte im Dezember 1990 der damalige Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) in seiner Regierungserklärung die Forderung nach Abschaffung des bundesdeutschen § 175 StGB unterstützt und in diesem Zusammenhang erklärt: "Die noch existierenden sogenannten 'rosa Listen' müssen vernichtet werden." Daß derzeit niemand eindeutig sagen will, ob dies tatsächlich geschehen ist, läßt beim whk berechtigte Zweifel aufkeimen.

Rückfragen: 0180/4444945

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