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 Abgesang auf die Stiftung Kulturfonds

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BeitragVerfasst am: 11.12.2004, 12:01    Abgesang auf die Stiftung Kulturfonds Antworten mit ZitatNach oben

Es sind beileibe nicht ausschließlich Pessimisten, die behaupten, dass unser Leben keine andere Zweckbestimmung habe als den Tod. Mit der Geburt begänne nun mal der Prozeß des Sterbens. Dass der Weg mehr bedeuten könnte als das Ziel, wenn nicht gar alles, also die Wegstrecke zwischen Geburt und Tod einen ganz eigenständigen Sinn haben könnte, wird von den Leben-um-zu-sterben-Theoretikern keineswegs bestritten. Entscheidend sei lediglich, was am Schluß übrig bleibe. Wenn es hoch komme: Erinnerung, die - mehr oder weniger schnell - erlischt. Es bleibe auf Dauer: nichts.

Wer einem solchen Denken verhaftet ist, wird die kurze Geschichte der StiftungKulturfonds nur als eine Bestätigung dieses scheinbaren Naturgesetzes verstehen wollen und sich in der Selbstbestätigung getröstet fühlen.

Die Geschichte der StiftungKulturfonds ist freilich auch für all jene bemerkenswert, die während der letzten anderthalb Jahrzehnte sich für eine Reform des Stiftungsrechts in Deutschland eingesetzt haben und glücklich darüber sind, dass in den vergangenen Jahren sehr viele neue Stiftungen - private ebenso wie jene des öffentlichen Rechts - errichtet worden sind. Legen Stiftungen doch Zeugnis ab vom Engagement der Bürgerinnen und Bürger für die sozialen und kulturellen Belange unseres Gemeinwesens. Zwar ist allgemein bekannt, dass das Stiftungsrecht äußerst dehnbar ist, dass ein riesengroßer Unterschied zwischen Stiftungen besteht, die für die Erfüllung ihres Zwecks auf die Erträge ihres eigenen Kapitals zurückgreifen, und jenen, die auf finanzielle Zuwendungen der öffentlichen Hand oder Dritter angewiesen sind. Dass aber eine Stiftung des öffentlichen Rechts strukturiert und organisiert sein kann wie eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ist äußerst selten.

Um eine solche Stiftung des öffentlichen Rechts handelt es sich bei der StiftungKulturfonds, deren Geschichte am 31. Dezember 2004 enden wird. - Wie jede richtige Geschichte hat auch diese eine Vorgeschichte. Die reicht bis in das Frühjahr 1949 zurück. Damals, ein halbes Jahr vor der Gründung der DDR, schufen der Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands, der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund und die Zentralverwaltung für Volksbildung in der SBZ den Kulturfonds als ein Instrument zur Förderung der zeitgenössischen Künste. Geschaffen wurde er, weil im kriegszerstörten Deutschland Kulturpolitik ihr Augenmerk auf den Wiederaufbau vernichteter kultureller Einrichtungen und auf die Bewahrung und Pflege des kulturellen Erbes zu legen hatte und dabei die Gefahr bestand, dass die Förderung der zeitgenössischen Künste deshalb vernachlässigt werden müsste. Gespeist wurde der Kulturfonds bis in die 70er Jahre hinein ausschließlich aus der Erhebung von fünf Pfennigen auf jede Eintrittskarte zu einer kulturellen Veranstaltung und von zehn Pfennigen auf jedes Billett für ein Tanzvergnügen und auf jede verkaufte Schallplatte.. Alljährlich kamen auf diese Weise bis zu 20 Millionen Mark der Deutschen Notenbank zusammen, die in Form von Arbeits- und Reisestipendien an Künstlerinnen und Künstler aus allen Kunstsparten und in Form von Mitfinanzierungen künstlerischer Projekte - ebenfalls in allen Kunstsparten - zur Förderung des zeitgenössischen Kunstschaffens in der DDR beitrugen. In den letzten anderthalb Jahrzehnten der DDR, nachdem der Kulturfonds dem Kulturministerium der DDR nachgeordnet worden war, verdoppelte die Regierung der DDR die Fördermittel, so dass Ende der 80er Jahre jährlich rund 40 Millionen Mark für die Förderung der zeitgenössischen Künste zur Verfügung gestanden haben.

In der alten Bundesrepublik Deutschland existierte ein dem Kulturfonds entsprechendes Instrument zur Förderung zeitgenössischer Künste nicht; und die Idee einer Deutschen Nationalstiftung ist in den 70er Jahren in West-Deutschland zerredet worden. Ersatzweise sind Fonds für einzelne Kunstsparten sowie die Kulturstiftung der Länder errichtet worden. Der Kulturfonds der DDR hätte also nach der Wende als ein Modell für die länderübergreifende Förderung der zeitgenössischen Künste im geeinten Deutschland begriffen werden können. Aber von einer solchen ‚Westerweiterung' einer in der DDR bewährten Einrichtung wollte niemand etwas wissen.

In dieser Situation kam es im Sommer 1990 - die erste und letzte frei gewählte Regierung der DDR amtierte - zupaß, dass die PDS als Rechtsnachfolgerin der SED Gelder abzuführen hatte, die fälschlich auf SED-Konten gelandet waren. Diese Gelegenheit wurde als einmalige Chance erkannt, unter Verwendung von 184 Millionen Mark der Deutschen Notenbank, die von der PDS kamen und ab dem 3. Oktober des genannten Jahres 92 Millionen Deutsche Mark wert waren, den Kulturfonds der DDR in eine Stiftung umzuwandeln. Neben dem genannten Finanzkapital zählen außerdem die Künstlerhäuser Lukas in Ahrenshoop sowie Schloß Wiepersdorf im Niederen Fläming und einige weitere Liegenschaften in Sachsen-Anhalt zum Vermögen der StiftungKulturfonds.

Errichtet wurde die StiftungKulturfonds mit dem Zweck, Künstlerinnen und Künstlern in den neuen Ländern die Umstellung auf einen ihnen unvertrauten Kunstmarkt zu erleichtern. Dazu zählte auch bis zur Aufnahme dieser Künstlerinnen und Künstler in die Künstlersozialkasse (1992) die Erstattung von 50 % der bis Ende 1991 gezahlten Sozialversicherungsbeiträge von Künstlern und Publizisten aus den neuen Ländern durch die StiftungKulturfonds. Desweiteren wurden Arbeits- und Reisestipendien an Künstlerinnen und Künstler aus allen Kunstsparten vergeben und Projekte zeitgenössischer Künste mitfinanziert.

1990/91 versprach sich nicht bloß der damalige Bundeskanzler nach vier Jahren ‚blühende Landschaften' in Deutschland zu sehen. Auch die verantwortlichen Politiker in den neuen Ländern (Sachverstand aus Ost und West sowie aus allen an den Regierungen beteiligten Parteien) waren überzeugt, nach 1994 nicht mehr auf eine Sechs-Länder-Kulturstiftung angewiesen zu sein, um die zeitgenössischen Künste angemessen fördern zu können. Wie sonst ließe sich erklären, dass die Stiftung Kulturfonds bloß für die Dauer von vier Jahren errichtet wurde. Von einer "übergangsweisen Weiterführung des Kulturfonds bis zum 31.12.1994" war 1990/91 die Rede.

Zugleich weckte bereits 1990 das Stammkapital der StiftungKulturfonds Begehrlichkeiten in den Ländern. So verständigten sich die Vertreter der sechs neuen Länder darauf, im Falle einer Auflösung der Stiftung deren Vermögen untereinander aufzuteilen.

Eine Stiftung wurde errichtet, deren Existenz - im Gegensatz zu dem Stiftungen gemeinhin eigenen ‚Ewigkeits-Prinzip' - auf vier Jahre begrenzt und deren Vermögen tendenziell den neuen Ländern zugestanden wurde, als ob es sich bei den neuen Ländern um Gesellschafter einer GmbH handeln würde. - Als 1994 selbst für Berufs-Optimisten ‚blühende Landschaften' im geeinten Deutschland nicht erkennbar wurden und die Notwendigkeit bestand, das Solidarunternehmen StiftungKulturfonds im Interesse des zeitgenössischen Kunstschaffens in den neuen Ländern fortzuführen, wurde die Stiftung auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt: auf den "Staatsvertrag über die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der StiftungKulturfonds", den die Ministerpräsidenten der neuen Länder am 5. April 1995 unterzeichnet haben.

Zwar befristete dieser Staatsvertrag nun nicht mehr die Existenz der Stiftung, hielt aber am Prinzip ‚gemeinnützige GmbH' fest. Die sechs Vertragsparteien schrieben ihre Anteilschaft am Vermögen der Stiftung unverändert fest und räumten jedem Land das Recht ein, "zum Ende eines jeden Jahres, erstmals mit Wirkung zum Ende des Jahres 1997, mit einer Frist von 12 Monaten" den Staatsvertrag zu kündigen und seinen Vermögensanteil von der Stiftung abzuziehen. Das Stiftungsvermögen wurde analog zur Zahl der Bevölkerung in den neuen Ländern aufgeteilt. Das bevölkerungsreichste Land - Sachsen - wurde mit rund 30 % am Vermögen beteiligt, Berlin - weil aus nachvollziehbaren Gründen ausschließlich der Ostteil berücksichtigt werden konnte - mit knapp 8 %. Die anderen neuen Länder liegen dazwischen. Die Eigner beschlossen außerdem: "Die Stiftung ist aufgelöst, wenn mindestens die Hälfte der Vertragsparteien diesen Staatsvertrag gekündigt hat." - Die Sollbruch-Stelle der StiftungKulturfonds war damit im Staatsvertrag programmiert.

Vom Recht zu gehen hat zuerst der Freistaat Sachsen mit Wirkung zum 31. Dezember 1997 Gebrauch gemacht unter Mitnahmen von rund 30 Millionen DM, die auf die landeseigene Kulturstiftung übertragen worden sind. Mit Wirkung zum 31. Dezember 2004 ziehen das Land Sachsen-Anhalt und der Freistaat Thüringen nach unter Mitnahme von insgesamt rund 16 Millionen Euro. Thüringen sowie Sachsen- Anhalt beabsichtigen, ihre Vermögensanteile auf eine jeweils in Gründung befindliche Landeskulturstiftung zu übertragen. Mecklenburg-Vorpommern versucht, mit seinem Vermögensanteil die Fortführung des Künstlerhauses Lukas abzusichern. Brandenburg möchte mit seinem Vermögensanteil und in Kooperation mit dem Bund zumindest für die nächsten drei Jahre die Fortsetzung der Arbeit des Künstlerhauses Schloss Wiepersdorf ermöglichen. Keines der beiden Länder sieht sich aber in der Lage, das jeweilige Haus selbst zu betreiben; gesucht werden für beide Häuser die künftigen Betreiber. Während das Künstlerhaus Lukas in das Eigentum des Landes Mecklenburg-Vorpommern übergehen wird, wird für das Künstlerhaus Schloß Wiepersdorf nach einem Käufer gesucht. Unwahrscheinlich ist geworden, dass die Künstlerhäuser ohne Unterbrechung und unverändert weitergeführt werden. Nicht zu beantworten ist die Frage, ob ein neuer Betreiber neue Akzente setzen wird. Wird er das bisherige Personal der Künstlerhäuser übernehmen? Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder nur einige? – Ende November 2004 steht glücklicherweise fest, dass das Künstlerhaus Lukas eine Zukunft haben wird; für das Künstlerhaus Schloß Wiepersdorf besteht immerhin begründete Hoffnung, dass es als ein Ort der Kultur erhalten bleiben wird.

Seit dem 1. Januar 2004 befindet sich die StiftungKulturfonds in Liquidation und wird am 31. Dezember 2004 ihre Tätigkeit beenden. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stiftung (4 in der Geschäftsstelle, 2 im Künstlerhaus Lukas, 12 im Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf) haben Beendigungskündigungen zum 31. Dezember 2004 erhalten.

Diese Entwicklung wäre spätestens im Mai 2003 aufzuhalten gewesen, nachdem die Kultur-Staatsministerin Ende April 2003 allen Ländern in der Bundesrepublik Deutschland den Vorschlag unterbreitet hatte, die StiftungKulturfonds in Gänze mit der Kulturstiftung des Bundes sowie mit der Kulturstiftung der Länder zu verschmelzen. Dadurch sollte die Existenz der beiden ältesten Künstlerhäuser in Deutschland - Lukas und Schloß Wiepersdorf - auf Dauer gesichert und die Förderung der zeitgenössischen Künste in den neuen Ländern wesentlich verbessert werden. - Das hat die Länderseite abgelehnt, lange bevor die Fusion der Kulturstiftungen des Bundes sowie der Länder im Dezember 2003 an der Haltung des Freistaates Bayern gescheitert ist. Länderübergreifende Solidarität wird klein geschrieben, was bezeichnenderweise auch am Verlauf der Debatte um die Entflechtung von Bund und Ländern in der Kulturpolitik zu beobachten ist.

Der Schaden für Künstlerinnen und Künstler sowie für Träger künstlerischer Projekte in den neuen Ländern zeichnet sich bereits jetzt ab. Wenn Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ihren jeweiligen Anteil am Vermögen der Stiftung Kulturfonds ausschließlich für die Finanzierung des in ihrem Land gelegenen Künstlerhauses aufwenden sollten (was wünschenswert ist), wird - anders als in den zurückliegenden 14 Jahren durch die StiftungKulturfonds - kein einziger Cent der bisherigen Fördergelder für Arbeitsstipendien oder für die Projektförderung in diesen Ländern zur Verfügung stehen. - Das schöne Pfund, mit dem die StiftungKulturfonds hätte wuchern können, ist verloren gegangen.

Das Märchen "Hans im Glück" ist Kulturpolitikern in allen Ländern des geeinten Deutschland ans Herz zu legen: nicht als Feierabend-, sondern als Pflichtlektüre.

Prof. Dr. Dietger Pforte
Der Vorstand als Liquidator der Stiftung Kulturfonds i. L.


Quelle: http://www.stiftungkulturfonds.de/html/abgesangp.htm

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